Gut gewappnet für Notfälle und Krisen
Experten geben Tipps für die Vorsorge
Altenhilfeverein greift ein verdrängtes Thema auf
Von Claudia Rindt
Konstanz – „Das ist ein bisschen schockierend“, sagt Renate Reinhard. Sie habe nicht gedacht, dass sie sich noch einmal im Leben Gedanken machen müsse über einen längeren Stromausfall oder eine andere Notlage. Als Kind hatte sie diese erlebt. Die Frau, Jahrgang 1938, berichtet, wie sie als Sechsjährige mit den Eltern aus dem damaligen Ostpreußen fliehen musste. Jetzt hört sie, was die Spezialisten aus dem Landkreis bei Notlagen raten. Luise Mitsch, Leiterin des Altenhilfevereins, holt als Experten Thomas Irmer vom Referat Brand- und Katastrophenschutz des Landratsamts und Bernd Roth, Kommandant der Konstanzer Feuerwehr, zum Gespräch. Rund 40¦Gäste verfolgen die Debatte im Landratsamt.
Tatyana Manchowska staunt, was alles nicht geht, wenn der Strom ausfällt. Aufzüge, Geldautomaten, Supermarkttüren, Kassen in Ladengeschäften, Wasserpumpen, Herd, Kühlschrank. „Ich habe mir das noch gar nicht vor Augen gehalten.“ Es sei aber gut, erinnert zu werden, worauf sich der Bürger vorbereiten könne. Tatyana Manchowska hat in der Kindheit in Bulgarien erlebt, wie es an zwei Stunden am Tag keinen Strom gab. Damals habe sie sich darüber keine Gedanken gemacht.
„Die kluge Frau und der kluge Mann baut vor“, sagt Luise Mitsch. Und dieser Meinung sind auch die Experten im Landkreis für Notlagen. Thomas Irmer empfiehlt erst einmal, viel Trinkwasser parat zu halten, und zwar pro Person 20¦Liter für zehn Tage. „Trinken ist wichtiger als Essen.“ Er wisse freilich, dass schon dies für viele eine Herausforderung sei, weil ihnen der Platz zum Lagern fehle. Wichtige Unterlagen wie das Stammbuch oder Sparbücher, sollen in einer Mappe griffbereit parat liegen. „Stellen Sie sich vor, ihr Haus brennt. Dann kann man nicht mehr zu den Schränken, um Dokumente zusammenzusuchen.“ Solange die Infrastruktur der Verwaltungen funktioniere, könnten verlorene Unterlagen auch wieder ersetzt werden. Irmer stellt aber in den Raum, dass dies nicht immer der Fall sein müsse.
Warntag am 8.¦Dezember
Überhaupt gibt es nach seinen Aussagen einige Lücken in der Warnkette. So seien Sirenen nicht mehr flächendeckend im Einsatz. „Diese wurden leider demontiert.“ Um auf dem Laufenden zu bleiben, empfiehlt er ein Radio mit Batterien oder ein Kurbelradio, das mit Hilfe eines Dynamos Strom herstellt. Bund und Länder haben beschlossen in diesem Jahr am Donnerstag, 8.¦Dezember, einen Warntag einzurichten. Da kann jeder überprüfen, ob zum Beispiel die Warn-App Nina auf dem Handy funktioniert.
Das größte Problem dürfte ein langwieriger Stromausfall (Blackout) sein. „Da geht nichts mehr“, stellt Luise Mitsch fest. Thomas Irmer stimmt ein: „Um das ganz drastisch zu sagen. Die Toilettenspülung wird nur einmal funktionieren.“ ISDN-Telefone sind auf Strom angewiesen, fallen also aus, Handys gehen nur so lange, wie der Akku hält, die Zentralheizung und die Küche bleiben kalt, und aus dem Hahn kommt kein Trinkwasser mehr, weil auch die Pumpen ausfallen. Die Rettungsdienste seien beschäftigt, alte Menschen aus Heimen bei Bedarf ins Krankenhaus zu bringen, sagt Irmer. Denn Pflegeheime hätten in der Regel keine Notstromversorgung. Und weil auch alle Aufzüge stehen bleiben, werden die Kollegen der Feuerwehr viel zu tun haben mit dem Öffnen. Es könne sein, dass ein Landkreis zu festgelegten Zeiten wieder Strom habe. Dann sollten Bürger nur die Geräte laufen lassen, die sie wirklich unbedingt benötigen. Denn sonst sei der Strom schnell wieder weg.
Eine Bürgerin fragt, wenn die Stromversorgung in Frage stehe, warum setzte man dann voll auf die Digitalisierung und fahre nicht zweigleisig. Irmer stimmt ihr zwar im Grundsatz zu: „Papier hat einen größeren Widerstand als Strom.“ Andererseits sagt er auch: Alles auf dem Papierweg zu erledigen, gehe heute nicht mehr. Eine Bürgerin wirft ein, dass auch die Produktion von Papier auf Strom angewiesen sei.
Wer wegen eines Notfalls schnell aus dem Haus muss, etwa bei einem Brand im Nachbarhaus oder dem Fund einer Weltkriegsbombe, sollte einen Notfallrucksack parat halten. In diesen gehören wichtige persönliche Medikamente, das Notfallradio, die Dokumententasche, Wetterschutzkleider, Kleider und Hygieneartikel für ein paar Tage.
Bernd Roth, Kommandant der Konstanzer Feuerwehr, gibt einen Überblick, welches Verhalten bei Feuer, Hochwasser, Unwetter oder den Austritt von Gefahrstoffen angemessen ist. Durch den Klimawandel könnten sich extreme Unwetter häufen. In diesen Fällen seien Wartezeiten auch bei den Rettern üblich. „Die Leitstelle priorisiert die Notrufe. Wir gehen als erstes dorthin, wo die Hilfe am Notwendigsten ist.“ Wer ein Anliegen habe, das als nicht vorrangig eingestuft wird, müsse sich gedulden. Bernd Roth ermahnt auch, die Warnsignale von Rauchmeldern ernst zu nehmen. Es nütze nichts, wenn einer Stunden später bei der Feuerwehr anrufe, weil ihn das Piepsen störe.
„Wir lebten in paradiesischen Zuständen, wir mussten uns keine Gedanken machen, stellt Luise Mitsch fest. Die Hoffnung ist groß, dass dies auch für die Zukunft gilt.
Der Notruf
In einem Notfall sind die Feuerwehr und der Rettungsdienst in ganz Europa unter der Rufnummer 112 zu erreichen. Unter 110 landet der Anrufer direkt bei der Polizei. Wer auf einen Notfall stößt, sollte sich wie folgt verhalten: die Schadstelle absichern, lebensrettende Sofortmaßnahmen einleiten und die Retter verständigen. Letztere müssen folgendes wissen: Wer ruft an, wo ist etwas geschehen, was ist geschehen, wie viele Menschen sind mutmaßlich verletzt, und welche Art von Verletzungen haben sie. Zum Schluss sollte der Anrufer noch auf Rückfragen warten. (rin)