03.01.25 Notbremse beim Altenhilfeverein

Luise Mitsch sieht ein Ende erreicht
Altenhilfeverein wird mit Anfragen überschüttet
Er kann keine weiteren Senioren mehr versorgen
Etwa 150 Helfer betreuen derzeit 250 Menschen

Von Claudia Rindt

Konstanz – Der Altenhilfeverein zieht die Notbremse. Er verhängt einen Stopp bei den häuslichen Hilfen, nimmt derzeit niemanden mehr in die Warteliste auf. „Der Verein ist an den Grenzen der Belastbarkeit“, betont Luise Mitsch, Vorsitzende des Altenhilfevereins. Die 76-Jährige sagt: „Wir werden überschüttet mit Nachfragen. Das zeigt, dass etwas schief läuft in unserer Gesellschaft.“ Viel zu viele Senioren bräuchten Alltagshilfen, um noch allein in den eigenen vier Wänden leben zu können. Das wollten die meisten. Der Altenhilfeverein mache viel, damit dies gelinge, doch es reiche bei weitem nicht aus.

Derzeit betreuen rund 150 Helfer im Altenhilfeverein rund 250 Menschen. Sie putzen bei ihnen, kochen, waschen Wäsche, reden mit den Senioren, kaufen für sie ein, begleiten sie zu Behörden und bei Spaziergängen. Wer einen Pflegegrad hat, kann Gelder für Haushaltshilfen einsetzen. Für eine Einsatzstunde fallen 12 Euro an. Die Helfer bekommen eine Aufwandsentschädigung, sie sind unfall- und haftpflichtversichert. Der Verein hat eine umfangreiche Warteliste. Diese soll vorerst nicht mehr wachsen. Derzeit gilt: Nur mehr beim Tod eines Betreuten oder beim Austritt kann der Altenhilfeverein überhaupt einen neuen Haushaltsdienst übernehmen. Dabei greife er erst einmal auf die lange Liste von Menschen zurück, die schon jetzt auf der Warteliste stehen.

Grundsätzlicher Fehler im System

Luise Mitsch hält vor Augen, wie aufwendig es ist, wenn der Verein bei einem Neuling häusliche Hilfen übernimmt. Eine der beiden Einsatzleiterinnen komme zum Hausbesuch, schaue erst einmal, was wirklich notwendig ist. Dann suche sie die passende Person für diese Tätigkeit. Mehr Helfer aufzunehmen, um bei mehr Senioren häusliche Dienste zu übernehmen, sei nicht möglich. Dies würde ihren kleinen Verein überfordern. Es müsse einfach mehr solcher Einrichtungen geben. „Wir werden angerufen, wenn jemand aus dem Krankenhaus entlassen wird.“ Manchmal gebe es trotz aller Bemühungen keine Lösung. „Wir müssen auch mal Nein sagen. Das ist bitter. Es tut weh, wenn wir jemanden abweisen müssen.“ Für Luise Mitsch sind das alles Zeichen dafür, dass es in der Versorgung alter und behinderter Menschen in Konstanz grundsätzliche Probleme gibt. Wie groß die Not in der Stadt ist, habe der Altenhilfeverein gemerkt, als bekannt wurde, dass die evangelische Sozialstation Margarete Blarer ihren Dienst zum Jahreswechsel einstellt. Der Altenhilfeverein übernimmt keine Pflege. Dennoch seien die Telefone nicht mehr still gestanden. „Es haben viele Leute angerufen und um Hilfe angefragt.“ Luise Mitsch, die seit 25 Jahren auch die Heimfürsprecherin im Haus Talgarten ist, weiß, dass betagte Menschen in der Regel so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben wollen. Damit sie das können, leiste der Altenhilfeverein Unterstützung.

Die häusliche Hilfe war schon 1983 entstanden, als Willi Kraus den Verein gründete. Der frühere Lehrer des Suso-Gymnasiums drückte so seine Dankbarkeit für ein gelungenes Leben aus. Anfangs sei nur eine Handvoll Menschen betreut worden, sagt Luise Mitsch. Doch die Zahl sei kontinuierlich gestiegen. Zuletzt rasant. Dabei ist die häusliche Hilfe nur ein Baustein des Altenhilfevereins. Dieser rege zum Beispiel auch an, an der Fitness zu arbeiten, um der Gebrechlichkeit im Alter und einer möglichen Demenz vorzubeugen. Zu diesem Zweck hat er aus Spendenaktionen im Paradies und in Wollmatingen Fitnessparks im Freien errichten lassen. An den Geräten dort können Alt und Jung trainieren. Der Altenhilfeverein hat schon viele Veranstaltungen zur Wirkung von Bewegung abgehalten.

Wie wichtig solche Dienste sind, zeigen die Zahlen der Stadt. Denn an ihnen ist deutlich abzulesen: Die Gesellschaft altert – auch vor Ort. In Konstanz ist demnach der Anteil der Menschen, die 60 Jahre oder älter sind, von 24 Prozent im Jahr 2018 auf 26 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. In Ziffern ausgedrückt: Das sind 22.686 Bürger, Tendenz steigend. Die Stadt setzt unter anderem auf organisierte Nachbarschaftshilfen, wie es sie in Allmannsdorf schon gibt. Dort allerdings ist klar: Die Helfer wollen nicht putzen. Im Handlungsprogramm Pflege der Stadt Konstanz heißt es: „Sorgestrukturen müssen für die gegenwärtige und zukünftige Versorgung älterer Menschen vielseitiger gedacht und gestaltet werden. Bürgerschaftlich Engagierte spielen hier eine wichtige Rolle. Sie schenken Zeit und Aufmerksamkeit und ergänzen die Tätigkeit von Fachkräften. Pflegende Familienangehörige werden durch bürgerschaftlich Engagierte ergänzt und entlastet. Eine Aufwandsentschädigung für dieses gesellschaftlich bedeutsame Engagement sichert Verlässlichkeit und Kontinuität.“

Luise Mitsch weiß: In Pflegeheime gehen die meisten Senioren erst, wenn sie schon sehr hilfsbedürftig sind, und sie lebten dort dann auch nicht mehr so lange. Die Eigenbeteiligung, die Pflegebedürftige in Heimen tragen müssen, sei immens hoch und liege bei rund 2800 bis 3000 Euro und mehr; eine Summe, die kaum eine Altersversorgung decke. Seit über zehn Jahren mahne sie bei Pflegesatzverhandlungen an, dass am System etwas falsch sei, wenn die Zuzahlung so hoch ist.

Ende des Vorsitzes geplant

Für die 76-jährige Luise Mitsch ist klar: Spätestens im 80. Lebensjahr werde sie nicht mehr als Vorsitzende des Altenhilfevereins zur Verfügung stehen. Sie hofft, dass der Verein dann seine Dienste aufrecht erhalten kann. Sie stellt fest, dass eine Aussage der Ordensschwester und Missionarin Mutter Teresia zu ihrem Lebensmotto geworden sei. Es sei nicht die Frage, wie viel wir tun, sondern, wie viel Liebe wir ins Tun stecken. Sie fragt sich daher: Wie viel Liebe erfahren alte Menschen in Konstanz.

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