Das Phänomen Luise Mitsch
21, Mai 2022 im Südkurier
Hilfsvereinsvorsitzende pausenlos engagiert. Sie macht vieles für die alten Menschen in Konstanz. Jetzt Aktion für Flüchtlinge aus der Ukraine
Von Claudia Rindt
Konstanz – Luise Mitsch schafft Wohltätigkeit am laufenden Band. Kaum ist das eine Projekt abgeschlossen, bastelt sie schon wieder am nächsten. Sie hat schon Blumenzwiebeln vor Konstanzer Pflegeheimen vergraben, damit diese im Frühjahr blühen, sie hat im Paradies und in Wollmatingen Bewegungsparcours für Alt und Jung in Konstanz errichten lassen, sie hat in Pflegeheimen Musik- und Malkurse installiert, und sie hat in den Zeiten der Pandemie mit dem Coronavirus alte Menschen in Heimen mit vielen Geschenken bedacht. Mal waren es Blumen, mal Marmelade, mal Honig. 15 solcher Mutmachaktionen hat die Vorsitzende des Altenhilfevereins schon in Gang gesetzt. Zuletzt hat sie zusammen mit dem Rotaryclub Konstanz-Rheintor 24 Kindern und 19 Erwachsenen aus der Ukraine den kostenfreien Besuch des Schwaketenbads ermöglicht. Und immer sagt sie, dass sie für zufriedene und glückliche Gesichter sorgen wolle. Doch was treibt die Frau an? Warum macht sie das alles? Hat sie einen Spleen? Nein, aber eine Geschichte, die vieles erklärt. Luise Mitsch sagt selbst, dass sie ein Leben lang dankbar dafür sei, was ihr als Baby wiederfahren ist.
Luise Mitsch kam 1948 auf die Welt, als Kind von Flüchtlingen aus Ungarn. Sie trug damals den Nachnamen Preidl. „Die Eltern waren bettelarm“, erinnert sie sich. Die Großmutter sei entsetzt gewesen, dass in der Familie ein Kind erwartet wurde. Keiner habe gewusst, wie sie die Kleine durchfüttern sollten. Da habe die Großmutter eine Frau aus Hamburg kennengelernt, und diese habe ihren Töchtern in Amerika von der werdenden armen Mutter in Deutschland berichtet. Aus den USA seien dann sechs Päckchen als Erstausstattung fürs Kind gekommen. „Meine Mutter kam sich vor wie Sterntaler“, sagt Luise Mitsch. Die Lieferungen enthielten unter anderem Kleider und ein Taufkleid, das inzwischen in der Familie Mitsch seine Runden gemacht hat. „Meine Kinder und Enkel wurden auch darin getauft.“ Auch ihre Zweitnamen erinnern immer an die edlen Spender zu Anfang ihres Lebens. Diese lauten Erna und Martha. So hießen die Frauen, die die Pakete aus den USA schickten.
Seitdem versucht Luise Mitsch selbst zu helfen, wo es geht. Als langjährige Vorsitzende des Altenhilfevereins kümmerte sie sich vor allem um die Bedürfnisse von Menschen, die in Pflegeheimen wohnen. Sie sollten es etwas schöner haben, sich bewegen, sich an Blüten erfreuen oder geistig beim pädagogischen Singen und Malen gefordert werden. Mit Hilfe einer Großspende des Altenhilfevereins wurde die erste Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz ermöglicht. Und selbst in Ungarn, in der früheren Heimat der Eltern, stifteten Luise Mitsch und ihre Familie für die Renovation einer Kirche und für den Aufbau eines Denkmals für die Vetriebenen aus Ödenburg.
Luise Mitsch will mit ihren Aktionen Freude schaffen. „Freut Euch am Leben, denkt nicht an das Schreckliche“, das ist ihre Botschaft an die Kinder und Erwachsenen, die wegen des Kriegs, den das russische Regime angezettelt hat, aus ihrer Heimat fliehen mussten. Bei den 15 Mutmachaktionen ging es darum, den alten Menschen in den Pflegeheimen zu sagen, dass sie trotz der Maßnahmen wegen der Pandemie mit dem Coronavirus nicht vergessen sind. Zeitweise durfte niemand die alten Menschen im Heim besuchen.
Luise Mitsch gehört zu den hartnäckigen Betreibern einer Idee. Und sie hat noch einiges vor. Sie will zum Beispiel eine Anlaufstelle schaffen für Kneippfreudige und das Weglein neben dem Schwaketenbad befestigen lassen. Für beide Projekte braucht sie Partner. Momentan aber findet sie kaum Gehör. Die Spitalstiftung, die auf ihrem Gelände neben dem Krankenhaus mal eine Kneippanlage hatte, der Gesundheitsverbund, der heutige Träger des Konstanzer Krankenhauses, die Bäderbetriebe oder die Stadt, von allen Seiten bekommt sie zu hören, dass gerade Wichtigeres ansteht. Man kann aber jetzt schon jede Wette eingehen, dass Luise Mitsch weiter daran arbeiten wird, dass ihre Projekte umgesetzt werden.