9. Mai 2022 im Südkurier: Einst Attraktion, heute verschwunden

Von Kneipp-Anlage beim Klinikum ist wenig übrig. Frühere Nutzerin und Erbauer erinnern sich. Anstoß gab Luise Mitsch vom Altenhilfeverein

Von Claudia Rindt

Konstanz – Brigitte Kopatsch ist begeistert vom Storchengang im kalten Wasser. Das Kneippen ist seit Jahrzehnten ihre Passion, aktuell im Seewasser vor Allmannsdorf. Nur bei Frost pausiere sie, sagt Kopatsch.

Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie sie als junge Frau eine Kneipp-Anlage nutzte, von der in Konstanz inzwischen nur noch Relikte vorhanden sind. Es handelt sich um die beim Klinikum Konstanz. Wer nicht weiß, dass es sie gegeben hat, wird die Überreste übersehen. Denn Teile der alten Anlage sind verschwunden, andere von Pflanzen überwuchert.

Anlage wurde 1971 gebaut

1971 wurde auf dem Gelände der Spitalstiftung beim Klinikum eine Anlage zum Wassertreten und zum Baden der Arme gebaut – vor allem für die vielen Senioren im Quartier. Wege, die mit runden Pflastersteinen gesetzt sind, führen noch zu den Plätzen, auf denen einst die Becken standen. Klaus Eberhard, heute 89 Jahre alt, hat sie im Auftrag des früheren Sozialbürgermeisters geplant und bauen lassen. „Die Senioren sollten sich gesund strampeln“, sagt er heute. Damals war zwischen den Bauten des damaligen Klinikums und den ehemaligen Senioreneinrichtungen der Spitalstiftung viel Platz für die Anlage. Es gab Sitzplätze sowie Becken fürs Treten mit den Beinen und fürs Baden der Arme.

Auf einem alten Bild ist diese noch zu sehen, zusammen mit dem damaligen Klinikneubau, der im Jahr 1971 eröffnet wurde. Heute ist das Becken fürs Wassertreten nicht mehr zu finden. Entweder ist es von Büschen überwuchert, oder im Zuge des Baus eines Behelfsparkplatzes abgerissen worden. Bernd Krautwasser, ein späterer Mitarbeiter des Planers, führt anhand der Baupläne an die Stelle, an der das Herzstück der Kneipp-Anlage einmal gestanden haben muss. Zu sehen ist – nichts.

Beim Armbecken ist das anders. Die Ränder der Anlage und Hocker aus Beton werden bis heute gern zum Sitzen genutzt. Eine gepflasterte Fläche ist auch noch zu erkennen, ebenso das Becken, in dem einst das Wasser für die Armbäder floss. Inzwischen wachsen darin allerdings Pflanzen, die über den Beton wuchern.

„Lieber Kneipe als Kneippen“

Klaus Dirks gehörte zu der Baufirma, die die Kneipp-Anlage gebaut hat. Die runde Schalung sei nicht so einfach gewesen, aber auch das habe man hinbekommen. Er sei damals um die 30 Jahre alt gewesen, sagt der Mann, der heute über 80 Jahre alt ist. Rückblickend stellt er fest: „Für uns war das nichts. Wir waren zu jung. Wir sind lieber in eine Kneipe als zum Kneippen gegangen.“ Bei Brigitte Kopatsch war das ganz anders. Sie berichtet, wie praktisch sie die Anlage erlebt habe, als sie Mitte 20 war. Sie habe in dieser Zeit in der Eichhornstraße gewohnt, und da sei sie gern nach dem Frühstück zum Kneippen. „Das hat gut getan, es hat Spaß gemacht, und es war ganz in der Nähe.“ Damals, so berichtet die Frau, die heute Mitte 70 ist, sei die ganze Kneipp-Anlage noch sehr gepflegt gewesen.

Wann die Anlage in die Jahre kam, weiß heute keiner mehr so genau. Das Interesse am Kneippen habe wohl nachgelassen, sagt Klaus Eberhard. „Die Anlage wurde nicht mehr gepflegt“, sagt Hans-Jürgen Beck, ein früherer Mitarbeiter der Spitalstiftung. Irgendwann sei in den Becken auch kein Wasser mehr gewesen – und die Anlage sei von Menschen aufgesucht worden, die nichts Gutes im Sinn hatten. Inzwischen sind die alten Kneipp-Becken vergessen, und im Krankenhaus-Park halten sich vor allem Patienten und Mitarbeiter auf.

Luise Nitsch auf Spurensuche

Die Erinnerung an die Kneipp-Anlage hat erst Luise Mitsch, die Vorsitzende des Altenhilfevereins, wieder geweckt – und auch die Zeitzeugen für das frühere Bauwerk gefunden. Anstoß dafür gab ein Bild, das in der Spitalstiftung hängt. Darauf sind die Einrichtungen der Klinik und der Seniorenbetreuung exakt verzeichnet, und auch die Becken. Es stammt aus der Hand des verstorbenen Konstanzer Grafikers Erich Hofmann. Auf seiner Grafik ist auch schon der Krankenhaus-Neubau zu sehen, der im Jahr 1971 eröffnet wurde.

Luise Mitsch hat sich nicht nur aus geschichtlichem Interesse mit der früheren Kneipp-Anlage am Klinikum beschäftigt. Sie arbeitet auch daran, in Konstanz wieder neue Kneipp-Anlagen zu errichten, vor allem eine Anlage am Bodenseeufer. Das Gewässer gelte es doch zu nutzen, sagt Mitsch. Für sie gehört das Kneippen zur Gesundheitsvorsorge, ähnlich wie die Trainingsstationen für alle Generationen, die der Konstanzer Altenhilfeverein im Paradies und in Wollmatingen geschaffen hat. Dabei trifft die Initiative auf einen Trend. Das Kneippen als Naturheilmittel ist wieder in. Im Jahr 2015 wurde die Lehre von Sebastian Kneipp (1821-1897), einem katholischen Priester und Naturheilkundler aus bayerisch Schwaben, als „immaterielles Kulturerbe“ anerkannt. Die deutsche Unesco-Kommission hatte dies damals entschieden. Die ganzheitliche Kneipp-Therapie zielt darauf ab, Körper, Geist und Seele des Menschen in Einklang zu bringen.

Brigitte Kopatsch deutet an, wie sie früher die Arme in einem Kneipp-Becken beim Klinikum baden konnte. Heute ist die Anlage teils von Pflanzen überwuchert, teils ganz verschwunden.

An den Freiflächen zwischen Klinik und heutigem Parkplatz stand einst eine Wassertretanlage nach Kneipp, da sind sich (von links) Bernd Krautwasser, Hans-Jürgen Beck, Klaus Dirks und Klaus Eberhard einig. Luise Mitsch, Vorsitzende des Altenhilfevereins hatte die Spurensuche ins Rollen gebracht. Sie alle zeigen den Storchengang, die typische Haltung beim Kneippen.

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