Ein Kompetenzzentrum des Alters. Spitalstiftung eröffnet erste Dementen-WG. 650.000 Euro beschaffte der Altenhilfeverein. 16 Jahre von der Idee bis zur Verwirklichung
Konstanz (nea) In diesen Tagen ziehen die ersten Bewohner ins erste Obergeschoss des Gebäudes Talgartenstraße 4. Dort hat die erste Wohngemeinschaft (WG) für Menschen mit einer demenziellen Erkrankung in der Stadt eröffnet. Die Spitalstiftung schließt derzeit die Umbauarbeiten an der ehemaligen Villa ab. Die Gesamtkosten für den WG-gerechten Umbau betragen insgesamt 1,2 Millionen Euro. Davon stammen 400 000 Euro für den Umbau und 250 000 Euro für den
erforderlichen Außenaufzug vom Altenhilfeverein. „Ich glaube, dass sich die Summe gelohnt hat“, bekräftigt Sozialbürgermeister Andreas Osner.
Der Impuls für solch eine Einrichtung sei bereits im Jahr 2003 vom Altenhilfeverein gekommen, der mit diesem Projekt durch Höhen und Tiefen gegangen sei. „Eine lange Geschichte“, gibt Osner zu. „Es hat sich gelohnt, diese große Summe zu investieren, denn der Umbau ist sehr gelungen“, lobte der Sozialbürgermeister. Luise Mitsch, die Vorsitzende des Altenhilfevereins, ist stolz darauf, dass diese WG endlich verwirklicht ist. „Wir sind heute Zeugen eines Wunders. Wir waren mit unseren Vorstellungen der Zeit weit voraus. Und so ganz nebenbei haben alle Beteiligten etwas geschaffen, was vielen noch gar nicht richtig bewusst ist: ein Kompetenzzentrum des Alters mitten in der Stadt“, betont Mitsch. Über den Innengarten sind verbunden das Pflegeheim Talgarten, die besagte WG, das Hospiz im Nachbarhaus und das Seniorenzentrum.
Neben der Dementen-Wohngemeinschaft werden im Gebäude auch der Hospizverein Zimmer im Erdgeschoss belegen und das Kommunale Kunst- und Kulturzentrum Konstanz K9 Büroräume im Untergeschoss beziehen. Zwei bestehende Wohnungen im Dachgeschoss werden renoviert. Als WG sollen sie Teilnehmern am Freiwilligen Sozialen Jahr beziehungsweise Bundesfreiwilligendienst eine Unterkunft bieten. Die entsprechenden Umbauten kosten zusammen noch einmal 700 000 Euro. Der Garten werde demnächst ebenfalls gerichtet. „Es wird ein lebendiges Gebäude“,
verspricht Stiftungsdirektor Andreas Voß. Gelegen mitten im Quartier bestehe eine nahe Anbindung an infrastrukturelle und kulturelle Einrichtungen.
In der Dementen-WG wird rund um die Uhr ein sogenannter Alltagsbegleiter anwesend sein. „Die Mitarbeiter achten auf die Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit der Bewohner. Wichtig ist für die Bewohner ein klar strukturierter Tagesablauf, der ihnen Orientierung und Sicherheit bietet“, erläutert Voß die dahinterstehende Idee. Die Mitarbeiter würden keine pflegerische Ausbildung benötigen, aber hauswirtschaftliche Fähigkeiten, Kreativität und Organisationstalent seien wichtig. „Darüber hinaus wünschen wir uns aber auch, dass sich die Angehörigen mit ihrem Wissen und Können in den Alltag der Wohngemeinschaft einbringen, beispielsweise als Kassenwart für die WG. Ebenso wünschen wir uns, dass sich auch Ehrenamtliche finden, die Spaziergänge mit den Bewohnern unternehmen oder sich sonst in irgendeiner Weise mit ihnen beschäftigen“, erläutert der Stiftungsdirektor.
Die WG sei eine sinnvolle und wichtige Ergänzung zu den stationären Pflegeeinrichtungen, dem ambulanten Pflegedient, der gerontopsychiatrischen Tagespflege und des Betreuten Wohnens. „Sie ist kein Ersatz für ein Pflegeheim, das es immer wird geben müssen, sondern ein weiteres Angebot“, betont Andreas Voß. „Eine WG hat eine ganz andere Häuslichkeit als ein Pflegeheim. Ich bin überzeugt, dass solche Modelle wirklich Zukunft haben“, ergänzt er. Für eine Wohngemeinschaft spräche auch, da sie sich recht einfach und schnell einrichten ließe. „Hier ist nicht unbedingt immer eine Bautätigkeit der Spitalstiftung erforderlich“, erläuterte er. So wurden die Pflege-WG im Erich-Bloch-Weg zusammen mit dem Spar- und Bauverein geschaffen.
INFOKASTEN
Die erste Dementen-WG
Die erste Wohngemeinschaft für Menschen mit einer demenziellen Erkrankung in der Talgartenstraße 4 hat acht Zimmer und drei rollstuhlgerechte Bäder, eine ebensolche Toilette und ein Besucher-WC. Hinzu kommen ein Aufenthaltsraum mit Küche sowie ein Balkon mit Blick auf den Innengarten, der zugänglich sein wird. Die Wohnfläche beträgt 243 Quadratmeter zuzüglich des neun Quadratmeter großen Balkons. Derzeit hat die Spitalstiftung sechs Mitarbeiter für die WG eingestellt. Die pflegerische Betreuung erfolgt gesondert über einen ambulanten Pflegedienst, den die Bewohner selbst bestimmen können. Die WG steht allen Menschen offen, denn laut Andreas Voß sind die Kosten der Betreuung und der Miete grundsätzliche sozialhilfefähig. (nea)
Autor Nikolaj Schutzbach